4. LEHRERSTREIK
In den letzten 16 Tagen wurde hier in Oaxaca gestreikt - in einem Ausmaß wie es für uns in Deutschland unvorstellbar wäre! Jedes Jahr im Mai / Juni finden sich im Zentrum Oaxacas alle Lehrer der weiterführenden Schulen aus dem ganzen Staat Oaxaca ein, um für eine Erhöhung der Gehälter zu streiken. Und das obwohl sie wohlbemerkt eh schon zu den Bestverdienern des Landes gehören. Die freie Fläche des Zentrums ist etwa dreimal so groß wie der Ulmer Münsterplatz und drum herum sind viele kleine Einkaufsstraßen. Dieser komplette Teil der Stadt wurde für mehr als zwei Wochen in einen riesigen Campingplatz verwandelt. Über 2000 Menschen, Lehrerfamilien mit Großeltern, Kind und Kegel, nisteten sich hier auf engstem Raum ein. Dutzende von Reisebussen und etliche Privatautos parkten sämtliche Seitenstraßen zu. Vor den Sanita-Klohäuschen waren regelmäßig Warteschlangen von mehr als 30 Personen und mit jedem Tag des Streiks nahm der Gestank in der Innenstadt zu. Es gab für die Leute keinerlei Möglichkeiten sich zu duschen oder sich auch nur Gesicht und Hände zu waschen!
Die meisten der Familien machen diesen zweiwöchigen „Sommerurlaub“ nicht freiwillig, sondern werden von einer Art Gewerkschaft, die hinter dem Ganzen steht, dazu gezwungen. Wer nicht mitstreikt, muss mit einer Versetzung ans andere Ende Mexikos rechnen. Der Streik endet jedes Jahr mit Erfolg - es gibt grundsätzlich eine Gehaltserhöhung. Die zwei versäumten Schulwochen werden allerdings in den Sommerferien nachgeholt, was den Schülern natürlich ziemlich stinkt.
Einmal musste ich abends den großen Platz überqueren als die meisten schon dicht aneinander gedrängt schliefen. Ich kam mir vor, als wäre eine Krankheit ausgebrochen und alle wären evakuiert worden. Ich konnte mir bei dem Anblick, der Hunderten, auf dem Boden zusammengepferchten, schlafenden Menschen einfach nicht vorstellen, dass man diese Strapazen mehr oder weniger freiwillig auf sich nehmen kann. Mittlerweile sieht die Innenstadt wieder recht normal aus, der Gestank hat sich verflüchtig und der Verkehr läuft wieder normal.
